Mittwoch, 2. Juli 2025

Fertig: Blazer nach Schwabe der neue Schnitt 10/1956!


Heute zeige ich meinen Blazer, den ich unter fachkundiger Anleitung genäht habe und der daher die richtigen Einlagen und Polster bekommen hat, an den richtigen Stellen gebügelt wurde und bei dem ich viel per Hand genäht habe.


Den verwendeten Schnitt aus Schwabe Der neue Schnitt 10/1956 habe ich schon abgewandelt genäht, aber bislang noch nicht in seiner Ursprungsform, obwohl mir gerade die rasanten Taschen sehr gut gefallen. Weil ich den Schnitt schon genäht hatte, war er bereits angepasst.


Ich will den Blazer als Übergangsjacke nutzen. Den Wollstoff habe ich bei bei Stoffe Gädtke in Hamburg gekauft. Er ist in beige und braun gehalten und hat bunte Stipsel, sodass er quasi zu allem passt. Das Futter habe ich unaufgeregt farblich passend gewählt.


Weil der Wollstoff etwas dünn für eine Jacke war, habe ich den Stoff zunächst komplett mit Einlage verstärkt, damit er guten Stand hat und lange hält. Dann habe ich wie üblich erstmal die Teilungsnähte am Oberteil genäht und dann ging es an die Verarbeitung der Schulterpartie und Ärmel. Hier habe ich einiges an Einlagen und Polster verwendet:


Der Rosshaarplack wird im Oberteil zwischen Schulter und Brust eingenäht und sorgt dafür, dass der Stoff gleichmäßig fällt; insbesondere beim Schlüsselbein könnte er sonst etwas einsacken. Weil ich eine große Größe nähe, habe ich aber einen eigenen Plack angefertigt und nicht den gezeigten verwendet. Der Plack wird an der Schulter nur durch ein aufbügelbares Band befestigt, aber nicht in der Schulternaht gefasst, ansonsten würde das steife Rosshaar vermeiden, dass die Schulternaht sich schön legt. In der Ärmelnaht kann das Plack mitgefasst werden, weil dort die Nahtzugabe ohnehin in den Ärmel zeigt und das Plack Sprungkraft gibt.

Den zweiteiligen Ärmel habe ich zusammengefügt und dabei gemäß Schnittmuster den Oberärmel etwas eingehalten. Die Wattierung habe ich auf der Nahtzugabe der Armkugel genäht. Sie sorgt dafür, dass die Rundung an der Schulter weich fällt. Anschließend habe ich mit zwei Einhaltereihen, also Nähte mit hoher Stichlänge sowohl auf der Naht wie auch daneben auf der Nahtzugabe, die Armkugel über einen Bügelbock eingehalten und mit viel Dampf in Form gebügelt. Weil ich zuhause keinen passenden Bügelbock hatte, habe ich dort mit dem Ärmelbügelbrett und einem Handtuch improvisiert. Wenn der Ärmel nicht mehr vom Finger rutscht, ist er gut eingehalten.


Neben der Wattierung fanden auch die Ärmelfische Platz im Ärmel, nämlich der Ärmelfisch aus leichtem Rosshaar vorn für Sprungkraft und der aus Wattierung hinten für ein leichtes Polster. Ich habe - hier nicht auf dem Foto - außerdem noch einen Ärmelfisch in der oberen Kugel (engl. sleeve head) eingefügt, damit der Ärmel ab dem Schulterpunkt nicht runtersackt. Dazu kommen dann noch die Schulterpolster.


Rosshaar habe ich auch beim unteren Saum verwendet und dort einen bereits gebügelten Schrägsteifen aus Rosshaar angenäht. Dabei trifft die Bügelkante genau die Saumkante, so ist die Saumkante schön scharf und knittert nicht. Außerdem wird der Saum und das Futter dann nicht direkt im Oberstoff festgenäht, sondern nur auf dem Rosshaarstreifen.


Das Futter habe ich dann zunächst nur im Oberteil eingenäht und dann ganz am Ende die Futterärmel per Hand am Armloch eingenäht.


Insgesamt habe ich sehr viel gelernt bei dem Blazer und meine Fähigkeiten verbessert, zum Beispiel zum ersten Mal Knopflöcher per Hand genäht. Meine wichtigsten Erkenntnisse sind übrigens 
  • Nahtzugaben an Armloch und Ärmeln geringer wählen (hier: 1cm), damit diese besser einzuhalten sind
  • Einlagen und Polster machen einen gehörigen Unterschied und jedes hat seine eigene Aufgabe
  • Bügeln formt den Stoff neben den Nähten und der Schnittführung und dazu sind Hilfsmittel wie Bügelböcke (oder eben Handtücher) notwendig
  • Ein Blazer braucht viel Zeit, Geduld und Handarbeit!



Ich bin sehr zufrieden mit dem Blazer und der Passform. Der Blazer war eindeutig bislang mein aufwendigstes Stück. Nicht alles hat auf Anhieb geklappt und ein oder zwei Kleinigkeiten sind sicherlich noch verbesserungsfähig - zum Beispiel würde ich nächstes Mal den Unterkragen etwas kleiner schneiden, die Schulter noch etwas verschmälern und auch der Sitz der hinteren Armkugel ist für meinen Geschmack noch zu unruhig. Das sind aber wirklich Kleinigkeiten, die außer mir wohl eh niemandem auffallen und vermutlich mir auch nicht mehr nach ein paar Mal tragen.


Seit ich den Blazer fertig habe, ist es leider zu warm dafür, aber ich freue mich schon auf den Herbst, wenn ich ihn oft tragen kann. Aus dem Stoffrest möchte ich außerdem wieder noch einen Rock nähen, sodass ich es als Kostüm tragen kann.


Ein paar weitere Details habe ich übrigens bei Instagram zusammengetragen [unter anderem auch ein Video vom Innenleben, wenn euch das näher interessiert] und wenn ihr Nachfragen habt, lasst es mich gern wissen!

9 Kommentare:

  1. Ganz toll! Ich bin schwer beeindruckt- die professionellen Details machen einen gehörigen Unterschied. Ich muss mir wirklich auch einmal fachkundige Unterstützung für so ein Projekt suchen, das senkt sicher die Hemmschwelle, sich heranzuwagen. Obwohl es mittlerweile tolle Schnittmuster-Anbieterinnen gibt, die einen auch schön an der Hand nehmen.

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  2. Der ist ganz wunderbar geworden und sitzt 1a! Ein Stück an dem du lange Freude haben wirst. Bin begeistert.
    viele Grüße Karen

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  3. Sehr elegant und perfekt genäht. So ein Plack (?) habe ich erstmals auch bei einem Wintermantel eingefügt, in dem Glauben, dass es den Zug über der Brust besser abfedert. Ich hatte allerdings nur Vlieseline im Haus. Schön zu lesen, wie ein richtig gut genähter Blazer entsteht. LG Nähkatze Carola

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  4. Die Freude über den gut gelungenen Blazer sieht man dir an. Und du kannst wahrlich stolz darauf sein. Unter professioneller Anleitung so ein Vorhaben umzusetzen, ist eine sehr gute Idee. Habe ich auch schon daran gedacht, aber mich noch nicht auf die Suche gemacht nach einem Nähkurs, wo dies möglich ist und außerdem noch ein Platz frei. All diese Verstärkungen richtig umzusetzen ist schon auch eine Herausforderung. Aber dein Blazer war es wert. Der Schnitt gefällt mir übrigens auch sehr gut.
    Liebe Grüße, heike

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  5. Boah, ich erstarre vor Ehrfurcht. Der ist dir so toll gelungen. Schade eigentlich, das es jetzt viel zu warm dafür ist. So musste du dich auf das erste Ausführen noch ein bisschen freuen. Dann ist aber vielleicht auch dein Rock fertig und du kannst gleich dein Kostüm ausführen.

    Gruß Marion

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  6. Was für ein Kunstwerk. Einige der Begriffe sind mir vollkommen fremd, und ich werde diese Dinge auch nie verwenden, verneige mich abervor soviel Können.
    LG Bella

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  7. Wow, was für ein fantastisches Meisterwerk! Ich bin hin und weg. Vielen Dank für den ausführlichen Blogpost und die vielen Fotos.

    Wahnsinn, was da für eine Arbeit drin steckt! Bin schwer beeindruckt.

    Wo hast Du die Spezialmaterialien wie z.B. Rosshaareinlage und Co. gekauft?

    Lieber Gruß,
    Muriel (von Nahtzugabe5cm.de)

    (ps. warum auch immer kann ich grad mit mit Namen/URL kommentieren, deswegen versuche ich es jetzt Anonym)

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  8. Immer wieder bin ich ganz geplättet von deinem akuraten und dieses mal für mich meisterlichen Vorgehen. Der Blazer ist dir super gut gelungen, und zurecht strahlst du so in dem super schönen Blazer der dir gut steht. Lieber Gruß von Jeanette

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  9. Sehr schön geworden! Ich mag besonders die Taschenform und bin begeistert von der Passform! Und danke für all die Detailbilder etc. - ja, Einlagen und Polster machen einen riesigen Unterschied. War sehr verblüfft, als ich das erste Mal Schulterpolster und Ärmelfische verwendet habe, und werde bei Jacken dieser Art nicht mehr drauf verzichten.

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